Hallo Sportsfreunde,
heute bin ich nach langer Zeit mal wieder einen echten Halbmarathon gelaufen. Ich war bei "Jog & Rock" in Bensheim aber nach meinem Geschmack ist der Lauf den Namen nicht wert. Im Zielbereich wurde zwar Musik gespielt und in der Stadt gab es auch eine Liveband, aber entsprechend der Werbung, die für die Veranstaltung gemacht wurde, hatte ich mir mehr versprochen.
Wie auch immer - obschon ein bisschen mehr Anfeuerung sicherlich mehr bessere Zeiten bewirkt hätten, so bin ich mit meiner Leistung voll und ganz zufrieden.
Um es vorweg zu nehmen, ich bin nach meiner Uhr netto 1:29:39 gelaufen und bin damit so schnell unterwegs gewesen, wie bisher noch nie, auf dieser Distanz. Eine offizielle Ergebnisliste ist noch nicht abrufbar, deshalb weiss ich auch noch nicht meine ohnehin eher nebensächliche Platzierung. Bei diesen "Großveranstaltungen" ist man einer von ganz vielen und somit braucht man keine besondere Ehrung erwarten.
Nun aber zu meinem Erlebnisbericht.
Gut war die Orientierung in dem Starterfeld, denn der Veranstalter hatte entlang des Aufstellbereichs Schilder mit anvisierten Zielzeiten aufgestellt, so dass man unter der Voraussetzung, dass die meisten Läufer sich entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit einordnen, nicht unter größeren Rangeleien oder Überholattacken auf den ersten Kilometern leiden musste. So kam ich dann nach dem pünktlichen Startschuss gut weg. Der erste Kilometer lag sogar, wie so oft, etwas zu schnell hinter mir. Die Fußgängerzone war sehr schnell verlassen worden und die Läuferschar tobte sich nun entlang von mehr oder weniger breiten Straßen, durch Wohngebiete und über Brücken aus. Nach ca. 2 Kilometern fielen mir zwei Läufer, ca. 50 m vor mir auf, die orange Shirts mit der Aufschrift 1:30 auf dem Rücken trugen. Das wäre keine schlechte Zeit für mich, also versuchte ich, mich an deren Fersen zu heften. Ich wollte aber mein Tempo nicht derart forcieren, dass ich gleich aufschloss, sondern den Abstand langsam verkleinern oder halten und mich in der zweiten Runde ranarbeiten, denn meine Uhr ermahnte mich schon wieder fortwährend und ich wollte keinesfalls frühzeitig übersäuern.
In den vergangenen Wochen hatte ich mehr auf meinen Laufstil geachtet und so tat ich es auch jetzt. Immer schön nach vorne mit den Armen, um den Schwung mitzunehmen und nicht vor die Brust drehen. Den Oberkörper aufrecht, mit dem virtuellen Faden am Shirt, an dem mich ein Jemand leicht nach vorne oben zog. Ich weiss nicht, wie lange das geht. Man muss schon öfters darauf achten, denn schnell nimmt man die altbekannte Haltung ein, die sich über Jahre eingeschliffen hat, aber nicht so ergonomisch ist und schon gar nicht ökonomisch. So ist es übrigens auch mit der Trittfrequenz. Gerade als Langer mit langen Beinen neigt man zu einem langen Schritt mit langsamer Frequenz, obwohl es doch weniger energieaufwändig sein soll, wenn man kürzere Schritte mit kurzen Bodenkontaktzeiten macht. Der Körperschwerpunkt muss dabei nicht so hoch gehoben werden und dadurch soll mehr Energie in die Vorwärtsbewegung umgesetzt werden.
Ich weiss nicht, ob das der Grund für meine heutige gute Leistung ist, aber bestimmt hat es etwas mit dazu beigetragen, aber nun zurück auf die Strecke.
Die erste Runde war nach 10 km geschafft und während die 10 km Läufer sich bereits an dem Erdinger Blau erfreuen konnten, mussten die Halbmarathonis das Ganze noch einmal mit einer 1,1 km langen zusätzlichen Schleife absolvieren.
Die beiden "Orangenen" waren nun leider weiter weg als vorher, aber die 1:30 konnte ich noch deutlich erkennen. Ich schloss zu meinem Vordermann auf und meinte: "Komm, 1:30", aber er meinte nur dass er das wohl nicht mehr schaffen würde, seine Wade hätte sich auch schon gemeldet aber da vorne, die beiden Orangenen, die wären wohl gut auf Kurs. "Komm, da arbeiten wir uns jetzt ran, wir haben ja noch Zeit genug".
Mein Nebenmann lächelte leicht und wir liefen tatsächlich ein Stück gemeinsam, aber irgendwann konnte ich ihn nicht mehr motivieren. So arbeitete ich mich vor zum nächsten "Opfer". Aber anscheinend hatte ich jetzt gut Fahrt aufgenommen. Niemand mochte mehr neben mir her laufen und so kam es, dass ich mich als Einzelkämpfer den 1:30ern nähern musste. In der Zwischenzeit war km 15 passiert und ich hatte einen Puls von 178 /min und die zweite Grenzfrequenz war dauerhaft überschritten. Unter dem Einfluss der Sauerstoffunterversorgung des Gehirns fing ich an, mich damit abzufinden, die beiden Zugläufer nicht mehr zu erreichen, denn als ich bei Kilometer 17 angekommen war, lag die Herzfrequenz bereits jenseits der 180. Die Kilometerzeiten waren mit 4:16 min/km bis 4:18 min/km aber noch in einem guten Bereich, aber eigentlich war das Tempo zu langsam, um noch etwas gut zu machen. Bei einer Wende auf der Gegengeraden ca. 1 km vor dem Ziel, motivierten die Zwei Hasen die Entgegenkömmlinge dann aber, als sie sagten, dass sie 40 Sekunden unterhalb der Sollzeit lägen. Immerhin hatte ich mich inzwischen auf ca 20 Sekunden herangearbeitet und die Beiden wurden noch etwas langsamer. Natürlich trug dann die Stimmung in der inzwischen wieder erreichten Fußgängerzone mit dazu bei, dass der letzte Kilometer beinahe fliegend (4:02 min/km) absolviert wurde. Die beiden Zugläufer motivierten dann beim Passieren ein weiteres Mal und ich kam völlig außer Atem aber mit einer neuen persönlichen Bestzeit im Ziel an.
Nun weiss ich, dass ich auch in Frankfurt eine bisher nicht da gewesene Leistung erreichen kann, obwohl ich durch die lange tempolose Vorbereitung auf Biel - was die Geschwindigkeit betrifft - eher zurück geworfen wurde.
Da bleibt mir nur noch zu sagen: I am back.
Liebe Grüße
Bernd
PS: Angehängte Pulskurve enthält den Pace bei jedem Kilometer (blau) Die erste Zwischenzeit ist die zeit vor der Startlinie (11 Sek.) Der letzte Pace ist 4:02 min/km über die letzten 1100 m).